Bericht aus dem Kreistag

Bericht über die 18. Sitzung des Kreistages des Landkreises Görlitz aus der Sicht unserer Fraktion Freie Wähler im Landkreis Görlitz.

Acht öffentliche Tagesordnungspunkte waren vergleichsweise wenig für eine Kreistagssitzung. Zwei Themen erweckten jedoch besonderes Interesse. So wurde über die Idee eines Radweges auf der ehemaligen Bahnstecke zwischen Oberoderwitz und Niedercunnersdorf fraktionsübergreifend diskutiert. Aber auch das für April in Ostritz geplante Nazifestival, obwohl unter Sonstiges eingeordnet, war ein sensibles Thema, welches einen bemerkenswerten Kreistagsbeschluss hervorbrachte. Doch der Reihe nach. Der erste Tagesordnungspunkt kann so zusammengefasst werden: Der Kreistag wurde ordentlich geladen, war mit 82 von 93 Kreisräten beschlussfähig, die Tagesordnung wurde bestätigt, und gegen das Protokoll der letzten Kreistagssitzung gab es keine Einwände.

Im TOP2 wurde Mathias Schneider als neuer Kreisrat der CDU vereidigt. Er tritt an die Stelle von Michael Kretschmer, der sein Kreisratsmandat aufgrund seiner Wahl zum Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, zur Verfügung gestellt hat.

Im TOP3 wurde vom ersten Beigeordneten des Landrates, Thomas Gampe, eine Idee des Landkreises vorgetragen, die 16,4 km lange, außer Betrieb befindliche Bahnstecke zwischen Oberoderwitz und Niedercunnersdorf als komplettes Flurstück zu erwerben und zu einem Radweg umzugestalten. Die Bahn will sie verkaufen. Aus Herrn Gampes Schilderungen spricht viel für eine Umsetzung dieser Idee. Etliche Bauwerke, Brücken und Viadukte, abwesender Straßenverkehr und eine geringe Neigung, machen die Strecke als Radweg attraktiv. Der Rückbau der Gleise und nichtbenötigter baulicher Anlagen wäre zudem Sache der Bahn. Die Kosten für die Gemeinden (200.000€) und den Landkreis (285.000€), hielten sich bei rund 9,6 Millionen Euro Gesamtkosten in Grenzen. Da zu diesem Anliegen ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in einer überarbeiteten Version frisch vorgelegt wurde, einigte sich der Kreistag auf eine Unterbrechung der Sitzung. Diese Pause sollten die Fraktionen nutzen um zu gemeinsamen Positionen zu gelangen. Jetzt waren die Bürgermeister der im Streckenverlauf ansässigen Kommunen gefragte Gesprächspartner. Dazu gehören der Kottmar-Bürgermeister Michael Görke, selbst Kreisrat der CDU, und der Bürgermeister von Herrnhut, Willem Riecke, der als Zuschauer der Sitzung beiwohnte. Wortmeldungen vor und nach dieser Pause kamen von fast allen Fraktionen. Dass der Landkreis die Strecke erwerben sollte, darüber waren sich alle einig. In der Mehrheit wurden aber Bedenken darüber geäußert, dass eine einmal abgebaute Bahnstrecke sich als solche praktisch kaum wiederbeleben ließe, man aber die Möglichkeit einer Wiederbelebnung eben nicht für alle Zeit ausschließen möchte. Unser Kreisrat Thomas Zenker stellte klar, dass auch unsere Fraktion in dieser Sache keine einheitliche Position finden konnte. Er selbst, als passionierter Radfahrer, würde sich über den neuen Weg sicher freuen. Gegen unumkehrbare Tatsachen, die den Zugverkehr auf dieser Strecke für immer ausschließen, möchte er aber nicht stimmen. Ein Kompromiss war dann oben bereits erwähnter Antrag der Fraktion B90/Grüne. In diesem Papier wird dem Grunderwerb der alten Eisenbahnstrecke zugestimmt. Aber ehe sie zu einem Radweg umgebaut werden dürfe, hat der Kreistag eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Mit ihr ist insbesondere die Nutzung der Strecke für eine schnelle Bahnverbindung von Liberec/Zittau nach Dresden zu untersuchen und das Vorhaben der Bürgerinitiative Pro Herrnhuter Bahn zu berücksichtigen. Die Bürgerinitiative Pro Herrnhuter Bahn gründet gerade einen Verein, der die Trasse pachten würde, mit dem Ziel sie auch als Eisenbahnstrecke zu erhalten. Die Nutzungsidee dieser Bürgerinitiative wurde im Kreistag allerdings nicht diskutiert. Der B90/Grüne - Antrag wurde dann mit 42 Ja - 29 Nein - und 10 Enthaltungsstimmen beschlossen.

Im TOP 4 wurden Ergebnisse eines Architekturwettbewerbes vorgestellt. Dabei geht es darum, dass das Görlitzer Landratsamt um Arbeitsraum für 350 Mitarbeiter erweitert werden soll. Man will dort Außenstellen zusammenführen. Die dafür notwendigen zusätzlichen 12.000m² werden im sanierungsbedürftigen Quartier der Görlitzer Bahnhofstraße, Berliner Straße und Salomonstraße bebaut, bzw. umgebaut. Aus 48 Wettbewerbsbeiträgen schafften es 12 in die engere Wahl. Für die besten drei Entwürfe wurden 3 Preise vergeben. Hierzu hatte unser Kreisrat und Bürgermeister der Stadt Görlitz, Dr. Michael Wieler, angemerkt, dass er die strukturelle Weiterentwicklung des Landkreises, hier insbesondere für die Stadt Görlitz, begrüßt.

Im TOP 5 berichtete die Dezernentin Heike Zettwitz über die bisherigen Ergebnisse einer Regionalen Fachkräfteallianz – Landkreis Görlitz. Diese Allianz gründete sich vor zwei Jahren mit dem Handlungsschwerpunkt Fachkräftesicherung im Landkreis Görlitz, unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. 41 Anträge zur Verbesserung der Fachkräftesituation wurden seitdem gestellt. Als gelungen umgesetzte Beispiele nannte Frau Zettwitz: Spätschicht – Tag des offenen Unternehmens in Zittau, Ärzte für Ostsachsen, Rückkehrertreffen in Görlitz/Zittau/Ebersbach-Neugersdorf und das Fachkräfteportal jobsoberlausitz.de. In

TOP 6 wurde ein Antrag der Fraktion Die Linke abgelehnt. Darin würde der Landrat aufgefordert, sich in allen ihm zugänglichen Gremien dafür einzusetzen, dass der Freistaat Sachsen die Vorhaltekosten für Asylbewerberunterbringungsplätze übernimmt. Hintergrund des Antrages ist die finanzielle Belastung der Landkreise bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen. In unserem Landkreis geht es um sogenannte Vorhalteplätze, welche zwar angemietet aber nunmehr nicht ausgelastet sind, aber nur ausgelastete Plätze vom Freistaat finanziert werden. Der Landrat Bernd Lange brachte zum Ausdruck, dass in diesem Antrag die latente Unterstellung herauszulesen sei, dass er in dieser Angelegenheit bisher inaktiv, also faul gewesen ist. Was er so nicht stehen lassen könne. Der Antrag wurde mit 58 Nein-, 17 Ja- und 4 Enthaltungsstimmen abgelehnt.

Der Tagesordnungspunkt 7 hatte die Feststellung eines über vier Jahre zurückliegenden Jahresabschlusses 2013 zur Abstimmung vorliegen. Außer der AfD, die mit Enthaltung stimmte, stimmten dem alle anderen Fraktionen zu. Der

 

TOP 8 wurde von nicht wenigen Besuchern der Kreistagssitzung mit Spannung erwartet. Dies wurde bereits in der öffentlichen Fragestunde deutlich, welche diesem Tagesordnungspunkt vorausging. Hauptthema war das für April angemeldete Neonazi-Treffen in Ostritz. Dies wird gleich ausführlich zusammengefasst. Zuvor sei jedoch noch auf unseren Antrag in der Dezember 2017 Sitzung des Kreistages hingewiesen. Es ging und geht um „Überplanmäßige Aufwendungen im Budget des Jugendamtes“. Mit unserem damaligen Spontanantrag glaubten wir, einen Betrag von 60.000€ für die nachträgliche Bewilligung bereits abgelehnter Anträge, welche 2016 über die Richtlinie zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit gestellt wurden, gesichert zu haben. Dem ist leider nicht so. Negativ beschiedene Anträge wurden/werden nicht erneut bearbeitet. Lediglich Anträge die bis dato noch nicht abgelehnt waren, konnten berücksichtigt werden. Das betraf ausschließlich jene Träger, welche einen Betriebskostenzuschuss beantragt hatten. Somit konnten zumindest ehrenamtliche Jugendklubs und kleine Initiativen von unserem Antrag profitieren. Inhaltliche Projekte hatten das Nachsehen. Damit sich dies in 2018 und kommenden Jahren nicht wiederholt, bat unser Kreisrat Bernd Frommelt die Verwaltung des Landkreises, Anträge, welche bis November 2017 für das Jahr 2018 gestellt wurden, bis April diesen Jahres zu bescheiden. Damit sollen die Antragsteller Planungssicherheit haben. Weitere Anfragen an den Landrat, welche einer Antwort harren, kamen von einem Bürger, der sich über Lücken in der Mobilfunkversorgung wundert, obwohl dazu seit 2010 Versprechungen gemacht wurden. Tobias Steiner von der SPD wollte wissen, wie vielen Hartz IV-Beziehern Zuschüsse wegen zu großer Wohnungen verweigert werden. Mirko Schultze - Die Linke - erkundigte sich nach der Finanzierung der Wasserrettung an unseren Badeseen, welche immer noch nicht dauerhaft geklärt ist. Und nun zum Themenschwerpunkt Neonazi-Versammlung in Ostritz. Hierzu formierte sich bekanntermaßen spontaner Protest aus der Bürgerschaft, welche zusammen mit zahlreichen Vereinen, Kirchen, Stiftungen und Initiativen, zu einem Friedensfest am gleichen Wochenende, auf den Ostritzer Marktplatz einladen. Die Partei -Die Linke- wird ebenfalls mit einem politischen Festival in Hör- und Sichtweite des Nazikonzertes zivilen Protest leisten. Wegen Sicherheitsbedenken traten allein sechs Bürgerinnen und Bürger an das Mikrofon. Gleichzeitig ging es ihnen auch darum, vom Landrat Maßnahmen zur Verhinderung der Neonaziversammlung zu fordern. Dabei kamen Bedenken zur Sprache, dass sich bei der Neonaziversammlung weit mehr als die 1000 angemeldeten Teilnehmer zusammenrotten könnten. Der Landrat verwies zunächst auf das hohe Gut der Versammlungsfreiheit in Deutschland und warb um Verständnis dafür, dass seine Behörde die gültigen Gesetze auszulegen und zu vollziehen hat. Auch dann, wenn man in der Sache entschieden anderer Meinung ist. Ein schlichtes Verbot dieser angemeldeten Veranstaltung wäre nicht gerichtsfest auszusprechen, würde die Probleme unter Umständen verschlimmern. Weiter sprach er von sehr hohen, bis unerfüllbaren Auflagen an die Veranstalter in Ostritz und gut aufgestellten Sicherheitsbehörden. Über Details konnte und wollte er an dieser Stelle keine Angaben machen. Zu große Transparenz in der Vorgehensweise seiner Versammlungsbehörde sowie in Fragen zu Strategien der Sicherheitskräfte, wäre im Vorfeld kontraproduktiv, so der Landrat. Zu guter Letzt konnte sich der Kreistag auf eine gemeinsame Resolution einigen. Sie Trägt den Titel - NEIN zur Neonazi-Versammlung in Ostritz und im Landkreis Görlitz -, und wurde mit 56 Ja, 0 Nein und 8 Enthaltungsstimmen angenommen. Sie ist hier als Kopie angehangen. Eine Aussprache dazu war dem Kreistag nicht zugestanden, womit sich fraktionsübergreifend nur schwer anzufreunden war. Ein Statement dazu hat unser Kreisrat und Oberbürgermeister der Stadt Zittau, Thomas Zenker, kürzlich veröffentlicht: Kreistagsresolution gegen Nazifestival. Mit überdeutlicher Mehrheit heute beschlossen. Warum? Haben die nichts anderes zu tun?! Da muss ich noch etwas längeres fb-untaugliches loswerden: Die echte wie die vermeintliche Elite der rechtsextremen Szene Deutschlands und Europas will sich in der Oberlausitz treffen, einen Achtungserfolg und ordentlich Reibach für einen möglichen neuen NPD-Führer und sein Umfeld aus Alt- und Jungkadern der schwächelnden NPD, hippen Identitären, gewaltbereiten Kameradschaften und absurdesten NS-Verherrlichern schaffen. So wie in Thüringen im vergangenen Jahr und dort seitdem immer wieder. Hier bei uns vor der Haustür, an der schönen Neiße, zwischen Zittau und Görlitz. „Schild und Schwert“ wird das so genannte Festival am Wochenende heißen, das ganz zufällig am Geburtstag des berüchtigtsten Anstreichers der Weltgeschichte stattfinden soll. Klingelt bei der Kombination bei manchem eventuell noch etwas? Ja stimmt, die zwei großen S sind auch ganz einprägsam und vielleicht zufällig passend, aber das meine ich gar nicht. Die Abkürzung MfS ist hierzulande ja leider auch immer noch allzu bekannt, und ebendiese Staatssicherheit hatte den Slogan aus der guten alten Stalinistenschule des Herrn Dzierzynski übernommen - orientiert an der Tscheka, der berüchtigten Geheimpolizei Lenins und Stalins. Zu DDR-Zeiten wurde die Symbolik eindeutig formuliert und in heroisch-kranken Liedern besungen: der Schild natürlich als Symbol für den Schutz der Staatspartei SED und das Schwert für den erklärten Willen, Feinde (nicht selten vor allem die, die man dafür hielt) nicht nur abzuwehren sondern auch zu bestrafen und zu zerstören. Diese widerwärtige bewusst gewählte Reminiszenz an vergangene Zeiten wird mit einer rechtsextremen Spaßkultur von Bands des ganzen Spektrums - ebenfalls höchst populäres Zeug in der Szene - gepaart. Schließlich muss man ja viele erreichen. Vom Hooligan zum NS-Rapper ist alles dabei. Ich erspare mir hier ekelhafte Textzitate die menschenverachtender kaum denkbar sind und möchte nur leise darauf hinweisen, dass es sich beispielsweise um „Musiker“ handelt, die es vermocht haben, als verfassungsfeindliche Organisation bereits verurteilt worden zu sein, oder gegen die im Umfeld der desaströsen NSU-Aufklärungsversuche intensiv ermittelt wurde, zu nah war man sich gekommen. Ehrlich gesagt bisher noch ohne Erfolg, aber da hat dann doch jemand vorgezogen ins nichtdeutsche Ausland zu wechseln... Alles in allem und ganz kurz: Nein, die Herrschaften sollte man nicht in Ruhe feiern lassen, die sollen sich hier nicht wohl fühlen und sich hier nichts aufbauen. Wenn es geht nirgends, aber jetzt reden wir erst einmal über Ostritz. Ich bin dankbar, dass sich Demokraten aller Couleur zusammentun, um die Demokratie und unsere Heimat vor den oben erwähnten Urhebern dieser leider recht perfide organisierten Feier im hübschen Hotel Neißeblick des grundsympathischen Ex-Republikaners zu schützen, indem wir die Bevölkerung warnen, die Behörden unterstützen und auch symbolische Aktionen wie das Friedensfest unternehmen. Wir sollten uns grundsätzlich für Meinungsfreiheit und Menschenrechte einsetzen. Die eine hat Grenzen und die anderen dürfen nicht beschnitten werden. So sollte es bleiben, so können wir uns auch über strittige Themen streiten. Aber hier - und die Gefahr sieht offenbar auch die Mehrheit der Kreisträte so - hier soll etwas angebahnt werden, das keine Toleranz mehr verdient. Wie schon einmal zitiert: „[...]wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“


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